Bevor es weiter unten im vierten und damit leider auch schon letzten Teil von Ritual – 30 Years of BMX in the Jugendpark um die Jahre 2000 bis heute geht, haben wir hier noch ein Interview mit dem Mann für euch, der während der heißen Phase an so manchem Morgen bei uns im Büro auf der Besuchercouch aufgewacht ist: Johannes Dreyer.
Johannes, du hast ja schon viele Edits geschnitten. Wie war es für dich, so ein großes Projekt zu stemmen? War es am Anfang vielleicht sogar ein bisschen furchteinflößend?
Mir war von Anfang an klar, dass mir dieses Projekt sehr viel Arbeit machen würde. Dass es aber dann so groß wurde, konnte ich nicht ganz ahnen, zumal wir anfangs eine Lauflänge von 30 bis maximal 45 Minuten angepeilt haben. Es war auf jeden Fall eine Herausforderung, aber furchteinflößend würde ich nicht sagen.
Was waren deine Aufgaben bei diesem Projekt?
Die komplette Nachbearbeitung, sprich: Schnitt, Audio, Grafik, Animation, Untertitel, mitunter das Skript und im Prinzip alles, was ich in der Lage war, zu übernehmen. Außerdem hatte ich die Kamera bei den Interviews mit Stephan Prantl, Lars Dorsch, Martin Kalabis, Peter Beu, Bernd Schneider, Markus Wilke und Bruno Hoffmann in der Hand.
BMX hat im Kölner Jugendpark bereits stattgefunden, da warst du noch nicht geboren. Wie war es für dich, mit dem ganzen alten Material konfrontiert zu werden?
Ich war fasziniert davon, wie BMX damals einfach war. Ich wusste natürlich vorher schon, wie die Räder damals aussahen, wie Freestyle entstanden ist und andere Dinge. Aber zum ersten Mal habe ich hier einen richtigen Einblick bekommen. Ich musste mich ja auch für die Doku mit diesen Jahren intensiv beschäftigen. Es war auf jeden Fall eine große Erfahrung für mich. Ich glaube, ich kann zum ersten Mal behaupten, zu wissen, wie BMX damals war – und das, obwohl ich erst 1992 geboren wurde.
Aufgrund der Tatsache, dass das Material nach und nach reinkam, hat sich die Storyline ständig verändert und jedes Interview hat wieder neue Puzzleteile gebracht. Wie schwierig war es, das Ganze “rund” zu bekommen?
Thomas Fritscher hat maßgeblich den roten Faden durch die Storyline gezogen. Für mich war es recht schwer, die verschiedenen Themen und Geschichten in den Kapiteln der frühen Jahre alleine zu sortieren und unterzubringen. Das Verständnis dafür konnte ich ja auch nicht wirklich haben. Ich wusste zum Beispiel nicht, wann die erste Halfpipe im Jugendpark gebaut wurde, wann das PTR-Team zu Besuch war und all die anderen Dinge, die thematisiert werden.
Thomas kennt sich hervorragend mit dem alten Material aus, du bist eher in der “Neuzeit” zu Hause. Passte das gut zusammen oder schuf das eher Konflikte?
Die Zusammenarbeit hat sehr gut geklappt! Wir haben uns wegen unseres unterschiedlichen Hintergrunds sehr gut ergänzt. Wie schon eben beschrieben, waren Thomas’ Vorgaben zu den 80er und 90er Jahren sehr wichtig, u.a. welche Clips nicht relevant wären und welche auf jeden Fall rein sollten. Ich wiederum konnte beurteilen, was bei dem alten Material für Leute meiner Generation interessant wäre zu sehen und was nicht.
War es schwierig, mit dem doch sehr unterschiedlichen Material zurechtzukommen?
Ich würde eher sagen, dass es zeitaufwändig war. Damals liefen anscheinend die Kameras fast pausenlos durch und es wurde auf absolut alles draufgehalten. Klar, somit hat man eine große Auswahl an Impressionen, Tricks und Interviews von beinahe jedem Contest, aber es kostete immer viel Zeit und Mühe, geeignete Clips rauszusuchen. Ein Beispiel: von der WM 1994 hatten wir Material von Props, Jochen Wagener, Thomas Stellwag und Markus Arnoldy. Zusammen waren das circa vier oder fünf Stunden Footage, die gesichtet werden mussten. Dass wir SD und HD mit 4:3 und 16:9 in einem einzigen Mix unterbringen mussten, war kein Problem. Vor allem, da die Interviews und Animationen einen modernen Rahmen drumherum bildeten.
Du hast mal gesagt, dass du ungefähr 400 Stunden am Ritual gearbeitet hast, einen beträchtlichen Teil davon nachts. Was war am aufwändigsten für dich?
Haha, ich habe nicht mitgezählt, aber es könnten auch um die 500 Stunden gewesen sein. Am aufwändigsten war irgendwie alles, vor allem mit dem Zeitdruck im Nacken. Aber konkret würde ich sagen, dass das Raussuchen einzelner Clips aus der Fülle an Material am aufwändigsten war. Und natürlich das Verdauen der ganzen Red Bulls, haha. Das Schwierige war eher die Zeit, in der das Projekt entstanden ist. Ich musste jede Woche dreimal zum Arzt und fühlte mich oft nicht ganz wohl. Weißt du noch, als du mich nach Hause fahren musstest, weil mich die Medikamente so umgehauen haben? Mein Rhythmus war ziemlich chaotisch, deswegen habe ich auch so oft nachts gearbeitet.
Hast du durch die vielen kleinen Probleme viel dazulernen können?
Nicht nur durch die Probleme, generell habe ich sehr viel von diesem Projekt mitgenommen. Zum Beispiel, was die Organisation bei solch großen Arbeiten angeht. Aber auch sehr viele Dinge, mit denen ich vorher so ausführlich noch nicht zu tun hatte, vor allem die Audioabmischung.
Welcher Part bzw. welche Clips gefallen dir am besten und haben dich am meisten beeindruckt?
Da gibt es viele! Wie Markus Wilke auch in der Doku sagt: “Alles, was Dave Osato gemacht hat.“ Was der alles gerissen hat, ließ einfach mein Kinn nach unten fallen. Wo ich bei jedem Male ungelogen eine Gänsehaut bekommen habe, waren die Runs von Mat Hoffman, vor allem von den Weltmeisterschaften 1994 und 2000. Eines ist aber am stärksten hängen geblieben: Als ich zum ersten Mal das Material vom Kalle [Markus Arnoldy] gesichtet habe, stieß ich auf den Dirtcontest von 1996. Was ich sah, waren Leute, die einfach nur Bock hatten und ohne jede Rücksicht die krankesten Sachen ausprobiert und sich dabei fast durchweg auf die Fresse gelegt haben. Ich musste lachen, weil es einfach zu gut war. Weißt du noch, wie ich dich direkt danach gefragt habe, was damals mit euch verkehrt war? Du hast nur gesagt: „BMX war damals hungriger.“
Du hast ja ein easter egg im Film versteckt. Hat es jemand gefunden?
Haha, ja richtig. Beim Interview mit Christopher Huber war ursprünglich ein Star-Wars-Poster hinter ihm an der Wand. Ich habe es in After Effects gegen das Poster vom BMX-Cup 1984 getauscht. Mich hat bisher keiner drauf angesprochen, aber ich bin mir sicher, dass es dem einen oder anderen auffiel. P.S. Nichts gegen Star Wars, haha …
Bist du mit dem Resultat zufrieden?
Sehr! Du weißt am besten, dass ich viel Schweiß und Herzblut in dieses Projekt gesteckt habe. Natürlich ist es ein Wahnsinnsgefühl, nach vier bis fünf Monaten durchgehender Arbeit sein Projekt auf der Kinoleinwand mit circa 300 Leuten zu sehen. Aber dass ich zufrieden mit dem Resultat bin, liegt auch daran, dass die Leute es so positiv aufgenommen haben. Ich bin zum Beispiel kurz nach der Premiere zu Armin Batouméni gegangen, um ihn kennenzulernen. Nachdem ich mich vorgestellt und ihm gesagt habe, dass ich die Doku gemacht habe, hat er seine Hand auf meine Schulter gelegt und gesagt: “Dude! That was awesome, you’re the man!“ Diese Anerkennung von ihm und zahlreichen anderen hat mich einfach riesig gefreut!
Wenn mich jemand jetzt fragen würde, was diese Doku besonders macht, würde ich sagen: Weil es für die frühere Generation natürlich einen ideellen Wert hat und für die heutige Generation ein Augenöffner ist. Eben ein guter Einblick wie sich nicht nur der Contest, sondern BMX allgemein vom Anfang bis heute entwickelt hat. Und das ist kein Eigenlob, ich meine damit nur das Thema an sich, welches in der Doku behandelt wird.
Möchtest du zum Schluss noch jemanden danken?
Auf jeden Fall! Ich möchte dir, Kay, noch danken, dass du mir bei so einem großen Projekt vertraut hast. Danke auch an Thomas Fritscher für die gute Zusammenarbeit. Und Danke an alle, die zur Premiere gekommen sind. Es war auf jeden Fall der Hammer!