Der lokale Einzelhandel steht auf der Sympathienliste jedes Politikers ziemlich weit oben. Er schafft Arbeitsplätze vor Ort, bietet kompetente Beratung und zeichnet sich durch besondere Kundennähe aus. So jedenfalls die Idealvorstellung, die immer mal wieder benutzt wird, um gegen Amazon und ähnliche „Heuschrecken“ zu wettern, die aus der Virtualität heraus dem Einzelhandel das Leben schwer machen.
Wenn ich allerdings ein bekanntes Fotofachgeschäft in Köln betrete, bin ich geneigt, in Zukunft ausschließlich im Internet einzukaufen.
Denn das Erdgeschoss wird ausschließlich von Dingen beherrscht, die mich nicht interessieren. Direkt am Eingang wartet eine Vitrine mit einer Leica-Sammlung, die zwar Analogbonuspunkte bringt, ansonsten aber nur reiche, grauhaarige Männer und japanische Touristen anzieht. Der Großteil des Raumes wird von Verkaufstresen eingenommen, an denen vor allem billige Kompaktkameras feilgeboten werden. Was nicht weiter stört, wenn man nicht die Verkaufsgespräche mit anhören müsste, in denen in der Regel die sinnlosen Funktionen der neuesten Kamera angepriesen werden. Wenn ich die kompetente Beratung mal in Anspruch nahm, wurde ich meist recht schnell von einem der Azubischneckchen zu einem der alten Herren mit „Ahnung von der Sache“ durchgereicht. Von ihm wurden meine Fragen entweder ignoriert, abgebügelt oder nach längerer Lektüre des Handbuches vor meinen Augen beantwortet – hier herrscht die gleiche Atmosphäre aus Planlosigkeit, Besserwisserei und schlecht verhohlener Verachtung wie in Plattenläden. Schlimmer kommt es dann nur an den Terminals, wo man selber Abzüge von digitalen Daten in Auftrag geben kann. Es sei denn, man war so frei, diese Daten im durchaus häufig verwendeten Adobe RGB-Farbraum anzulegen. Dann nämlich bekommt man keine Bilder, sondern nur bunten Pixelmatsch und muss dem unfähigen Azubi, der die Dinger betreut, erstmal erklären, was ein Farbraum überhaupt ist.
Hoffnung bietet dann nur noch der versteckte Eingang zum Keller, wo der Pro-Shop zu finden ist. Die Hälfte des Raumes ist die Secondhand-Abteilung, deren Fortexistenz mir ein Rätsel ist, weil ausschließlich Filmkameras zu ungefähr dem Dreifachen des Marktpreises angeboten werden. In der hintersten Ecke schließlich findet man die viel beschworene Beratungsqualität. Es gibt tatsächlich im ganzen Laden einen einzigen Mitarbeiter, der frei von Dummschwätzerei wertvolle Kaufhinweise geben kann. Und nur um seinen Arbeitsplatz zu sichern, machte ich mich nach eingehender Onlinerecherche auf den Weg, um mir dort unten einen neuen Fotorucksack zu kaufen. Ich war durchaus bereit, einen gewissen Aufpreis in Kauf zu nehmen. Aber wenn man von mir erwartet, 120 Euro Aufpreis für einen Rucksack (den man bei seriösen Versandhändlern für 180 Euro bekommt) zu zahlen, dann sollte man mich am Eingang von einem Pagen begrüßen lassen. Dann sollte ich Kaffee und Gebäck gereicht bekommen und am Ende noch mit der Firmenlimousine nach Hause gefahren werden. Ich sollte sicher nicht eine Viertelstunde rumstehen und darauf warten, dass endlich mal ein Verkäufer Zeit für mich hat. Weil ich in dieser Zeit nämlich feststelle, dass ich die Beratung nicht benötige, die Preise unverschämt sind und der Service beschissen ist. So long, suckers.
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