Sergej Geier ist vor ein paar Wochen auf der wethepeople Spring Session in Bremen richtig hart eingeschlagen. Hier erfahrt ihr, warum er die Messehalle auf einer Trage verlassen musste und wie es jetzt weitergeht.
Sergej, was machst du nur für Sachen?
Das Finale auf der wethepeople Spring Session in Bremen war nicht wirklich meins. Ich wollte in meinem Lauf einen Nosepick auf dem Zaun machen und bin irgendwie rüber gefallen. Es ist einfach alles schief gelaufen, was schief laufen konnte. Ich war zu schnell und anstatt von oben auf dem Geländer zu landen, bin ich daran vorbeigesegelt und mit beiden Beinen nach vorne ausgestreckt gelandet. Eigentlich war der Sturz relativ kontrolliert, aber bei dem einen Bein hat es sich angefühlt, als ob ich in einem Eimer Butter gelandet wäre. Ich habe sofort gewusst: Da ist jetzt irgendwas kaputt. Später hat sich dann herausgestellt, dass ich mir einen mehrfachen Trümmerbruch zugezogen habe.
Ätzend! Was ist dann passiert?
Zuerst ging es erstmal in Bremen in die Notaufnahme. Dort wurde ich geröntgt und auf dem Röntgenbild sah das alles ziemlich katastrophal aus. Auf dem anschließenden CT konnte dann sogar ich als Laie erkennen, dass die Ferse wirklich komplett kaputt war. Ich bin dann über Nacht im Krankenhaus geblieben und sollte eigentlich am nächsten Tag operiert werden, bin dann stattdessen aber lieber zurück nach Köln gefahren, weil ich das Gefühl hatte, dass ich in Köln eine bessere Behandlung erhalten würde.
In Köln bin ich dann direkt in die Dreifaltigkeitsklinik gefahren, die sind auf Gelenke spezialisiert. Dort meinte der Oberarzt, dass das so ein komplexer Bruch sei, dass sich weder er noch seine Kollegen da rantrauen würden. Außerdem hatten sie sowieso nicht die notwendigen Schrauben und Platten vorrätig. Ich habe dann Richy Bieger angerufen, der selber Physiotherapeut ist. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass er sich kurz zuvor dieselbe Verletzung zugezogen hatte. Der hat mir dann die Universitätsklinik empfohlen.
So langsam dämmerte dir zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich der Ernst der Lage.
Richtig. Die Ärzte in Bremen meinten ja noch, dass das ein Routineeingriff wäre und wollten mich direkt am Tag nach dem Sturz operieren. Richtig angekommen ist das alles dann, als ich in der Uni-Klinik über meine Situation aufgeklärt wurde. Die haben mir erklärt, dass ich einen maximalen Schaden in der Ferse habe. Da hat sich mir im ersten Moment der Magen umgedreht.
Wie war die OP?
Ich wurde zwei Stunden lang operiert. Keine Ahnung, ob das besonders lang ist. Die ersten drei, vier Tage danach waren die Hölle. Ich habe Morphiumtabletten gefuttert wie Gummibärchen, weil die Schmerzen kaum auszuhalten waren. Das war der pure Albtraum. Aber dadurch, dass die Ärzte gesagt haben, dass die OP gut verlaufen ist, und alles gut aussieht, bin ich jetzt relativ guter Dinge.
Was wurde dir alles eingebaut?
Neun Schrauben inklusive Platten. Mir wurde erklärt, dass ein Trümmerbruch ein Puzzle ist, das zusammengesetzt werden muss. Einzelne Puzzleteilchen sind bei mir so klein, dass man sie nicht verschrauben konnte. Die wurden dann einfach an die richtige Position gelegt und ich hoffe, dass sie wieder richtig zusammenwachsen.
Wie geht es jetzt weiter?
Ich werde in den kommenden drei Monaten erstmal auf Krücken laufen. Für die Zeit danach habe ich einen schönen Plastikstiefel bekommen, der hat unter der Fußsohle einen Keil, damit ich normal auftreten kann, ohne die Ferse zu belasten. Zu dem Zeitpunkt mache ich dann hoffentlich schon Reha. Wenn alles gut läuft, kann ich nächstes Jahr wieder BMX fahren, im schlimmsten Fall nie wieder.
Das hat man dir so gesagt?
Ja, aber die Ärzte gehen nicht davon aus, dass dieser Fall auch eintritt. Aber mir wurde gesagt, dass, wenn ich gerne Joggen gehe oder Fußball spiele, ich mir vielleicht ein neues Hobby suchen sollte, weil dabei die Trittbelastung zu groß ist. Außerdem kann es sein, dass ich Arthrose bekomme. Aber da bin ich ja kein Einzelfall, denn Arthrose droht früher oder später vielen BMXern – vor allem den ganzen Streetfahrer, die jetzt noch fleißig Stufen springen. Die wissen gar nicht, was auf sie zukommt.
Wie gehst du mit der Vorstellung um, vielleicht nie wieder BMX fahren zu können?
Wenn es dazu kommen sollte, dann wäre das natürlich die absolute Hölle. Aber ich werde nichts bereuen. Ich habe die besten Jahre meines Lebens im Sattel erlebt – und damit meine ich nicht nur das Fahren, sondern auch die ganzen Reisen und die Menschen, die ich kennengelernt habe. Ich denke aber auch gar nicht daran, dass es dazu kommen wird. Jetzt sind zuerst einmal Fleiß und Geduld angesagt. Im Moment konzentriere ich mich voll auf den nächsten Schritt: wieder gehen zu können.
Bisher warst du nach deinen Verletzungspausen ja immer besser als davor.
Das habe ich auch schon gehört, aber ich weiß nicht, ob das diesmal wieder so sein wird [lacht]. Es ist schon eine sehr komplexe Verletzung, die ich nicht auf die leichte Schulter nehme. Es wird für mich auf jeden Fall schwierig werden, danach noch einmal die Kraft und die Motivation zu finden, wieder Vollgas zu geben. Aber bis diese Entscheidung ansteht, ist es sowieso noch ein langer Weg.
PS: Sergej und Fußverletzungen – war da nicht was?! Ach ja, bei seinem ersten Aufenthalt im Woodward Camp ist Herrn Geier eine richtig traurige Geschichte passiert.
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